In meiner Ansprache zum Volkstrauertag habe ich natürlich auch Bezug genommen, zu den schrecklichen Anschlägen in Paris. Ich warne aber davor, unter den Flüchtlingen, die in den letzten Monaten zu uns gekommen sind, die Übeltäter zu suchen. Wir sollten uns nicht dazu hinreißen lassen, dem Hass der Terroristen mit Hass auf andere zu begegnen. Die Flüchtlinge sind doch gerade vor dem Terror geflohen. Wir dürfen sie jetzt nicht dafür verantwortlich machen, dass sie aus den Ländern geflohen sind, aus denen vielleicht die Attentäter von Paris stammen. Der Terror ist nicht das Ergebnis ihrer Flucht, sondern der Grund.
Unsere Antwort auf die Gewalttäter darf nicht ebenfalls Hass und Gewalt sein. Unsere Antwort muss Respekt, Nächstenliebe und die Achtung der Menschenwürde sein!
Ein weiterer Punkt in meiner Ansprache war die Sorge vor dem Vergessen. Es sind jetzt siebzig Jahre her, dass der zweite Weltkrieg endete. Siebzig Jahre sind eine lange Zeit, in der viele Erinnerungen verblassen. Im siebzigsten Jahr nach dem Ende des zweiten Weltkrieges wird uns zunehmend bewusst, dass es bald keine Zeitzeugen mehr geben wird, die uns berichten können.
Und dann höre ich immer wieder gerade von den Jüngeren, dass das Dritte Reich schon so lange vorbei sei und man endlich einen Schlussstrich ziehe müsse, schließlich hätten wir doch gar nichts mehr mit dieser Zeit zu tun.
Dazu sage ich entschieden NEIN. Sich nicht erinnern zu wollen, heißt vergessen zu wollen und das darf niemals passieren! Jeder kennt den Satz „Wer sich an seine Vergangenheit nicht erinnern will, der ist dazu verdammt, sie wieder durchleben zu müssen.“ Und dieser Satz ist richtig.
Natürlich kann man uns heute nicht mehr für die Gräueltaten der Vergangenheit anklagen, natürlich tragen wir heute keine Schuld für die Verbrechen der Vergangenheit. Wir können die unglaublichen Verbrechen nicht ungeschehen machen und wir können die Toten nicht zurück ins Leben holen. Aber wir können versprechen, dass wir uns mit aller Kraft dafür einsetzen, dass so etwas nicht wieder geschieht, wir können versprechen, dass wir das Leben in Frieden und Freiheit schützen wollen. Und dafür ist auch der Volkstrauertag wichtig. Am Volkstrauertag können wir zeigen, dass wir unsere Vergangenheit nicht vergessen, dass wir uns unserer Verantwortung stellen, die aus unserer Vergangenheit erwächst. Unsere Vergangenheit müssen wir als Auftrag verstehen. Sie ist der Auftrag an uns alle, dafür einzutreten, dass wir die Schrecken des Krieges, dass wir diesen unmenschlichen Hass nicht noch einmal durchleben müssen.
Das Gedenken und die Trauer haben etwas mit Erinnerung zu tun und diese Erinnerung müssen wir wachhalten.