Die einfache Antwort lautet: weil wir das nicht dürfen.
Aber natürlich ist der Sachverhalt deutlich komplizierter und ich möchte versuchen, etwas Licht ins Dunkel zu bringen:
Schon seit längerer Zeit wird sehr kontrovers über die Durchführung von Gottesdiensten der Kirchen und Glaubensgemeinschaften diskutiert. Die Glaubensgemeinschaften geraten vor allem in den Mittelpunkt der Diskussionen, weil deren Gottesdienste zumeist sehr gut besucht sind. Die Diskussionen werden zunehmend rauer und mich erreichen täglich Mitteilungen, die teilweise unsachlich und manchmal auch beleidigend sind. Vor allem aber werde ich regelmäßig aufgefordert, diese Gottesdienste zu unterbinden, was aber gar nicht möglich ist.
Das Hauptargument in den Diskussionen ist vor allem die empfundene Ungleichbehandlung. Warum sind Kirchen und Glaubensgemeinschaften privilegiert? Während Veranstaltungen verboten sind, Einzelhändler schließen mussten und die Gastronomie und Restaurants schon seit vielen Wochen trotz ausgefeilter Hygienekonzepte nicht mehr öffnen dürfen, scheinen die Gläubigen ihre Gottesdienste ohne jegliche Einschränkungen feiern zu dürfen. Vor allem aber wird das sehr hohe Ansteckungsrisiko bei diesen Gottesdiensten ins Feld geführt.
Dem gegenüber steht aber die juristische Seite:
Die Religionsfreiheit ist in Deutschland ein sehr hohes Rechtsgut und in Artikel 4 des Grundgesetzes verankert. Durch die Religionsfreiheit geschützt sind insbesondere auch die Teilnahme und das Abhalten von Gottesdiensten und religiösen Feiern. Die Wichtigkeit dieses Grundrechts ist auch vor dem Hintergrund unserer Erfahrungen aus der Nazizeit einzuordnen. Einschränkungen dieser Religionsfreiheit erfordern immer sehr gewichtige Gründe und zahlreiche Urteile auch des Bundesverfassungsgerichts haben die Hürden hierfür sehr hoch gesetzt. Selbstverständlich ist die Einschränkung der Religionsfreiheit auf keinen Fall mal eben so durch ein Ordnungsamt möglich. Es ist vielmehr so, dass jeder Eingriff des Ordnungsamtes einer Ermächtigungsgrundlage bedarf, die es in Bezug auf Gottesdienste aber nicht gibt. Im Gegenteil: Gottesdienste sind nach der aktuellen Coronaschutzverordnung ausdrücklich zugelassen.
Sehr ähnlich verhält es sich übrigens auch für den privaten Bereich. Die Unverletzlichkeit der Wohnung, also des privaten Bereichs, ist ebenso ein sehr hohes Rechtsgut und deswegen beziehen sich die Regelungen zu den Kontaktbeschränkungen zumeist nur auf den öffentlichen Raum.
Um den Konflikt zwischen der Religionsfreiheit auf der einen Seite und der Minimierung des Infektionsrisikos auf der anderen Seite zu lösen, befinden wir uns in regelmäßigen Gesprächen mit allen Verantwortlichen. Für die Durchführung der Gottesdienste gibt es ein detailliertes Hygienekonzept, die Personenzahl ist begrenzt und eine Rückverfolgbarkeit ist gewährleistet.
Ich persönlich würde mir übrigens wünschen und appelliere an die Kirchengemeinden und Glaubensgemeinschaften, im Moment auf Präsenzgottesdienste zu verzichten und auch im privaten Bereich die Kontakte zu reduzieren.