Gänsehaut-Momente
Alles das, was ich in dieser Woche gemacht habe, erscheint nebensächlich. Zum Beispiel musste ich ein Verkaufsgespräch führen. Es wurde um eine Erlaubnis gebeten, Fotos vom Stadtgebiet machen zu dürfen. Gratulationsbesuche standen auf der Agenda. Ich durfte mich mal wieder beschimpfen lassen, weil ja alle Mitarbeiter der Verwaltung offensichtlich zu dämlich sind. Ich habe mich um Grundstücksangelegenheiten gekümmert. Die ärztliche Versorgung hat mich beschäftigt und beim Zeitungslesen habe ich mich richtig über politische Verlautbarungen geärgert, nach denen Wohltaten verteilt werden sollen, die am Ende des Tages unglaublich viel Geld kosten, das die Städte und Gemeinden aufbringen müssen.
Das alles verkommt aber zur Randnotiz, vor dem Hintergrund der schrecklichen Entwicklung in der Ukraine und dem Angriffskrieg des russischen Diktators. Am Dienstag haben
sich die lippischen Bürgermeister und der Landrat kurzfristig zu der aktuellen Entwicklung ausgetauscht. Es ist zu erwarten, dass wir in Kürze die große Aufgabe haben werden, zahlreiche
ukrainische Flüchtlinge unterbringen zu müssen. In einigen Städten sind bereits Geflüchtete angekommen. Das alles geschieht zu einer Zeit, in der die Städte ohnehin die sogenannten Ortskräfte aus
Afghanistan unterbringen müssen. Diese befinden sich nämlich in den Landeseinrichtungen und werden jetzt auf die Kommunen verteilt. In Schieder-Schwalenberg haben wir aktuell noch kein
ukrainisches Flüchtlingsproblem, sondern ein afghanisches Flüchtlingsproblem. Trotzdem ist es ein starkes Signal, dass sich Bürgerinnen und Bürger melden, die Unterbringungsmöglichkeiten
anbieten. Wir sammeln die Informationen und werden bei Bedarf darauf zurückkommen.
Am Dienstag entwickelte sich dann sehr schnell der Plan, einen Hilfskonvoi zu organisieren und es zeigt sich schnell, dass dies durch die Städte Blomberg, Horn-Bad Meinberg, Lügde und
Schieder-Schwalenberg erfolgen soll. Am Dienstagabend habe ich um 21 Uhr unsere Wehrführung kontaktiert und eine viertel Stunde später bekam ich die Zusage unserer Kameradinnen und Kameraden. Nun
weiß ich, dass Aktionismus und „gut gemeint“ nicht immer gut sind. Ich habe daher großen Wert daraufgelegt, die einzusammelnden Hilfsgüter genau zu benennen und leider auch alles andere, was
nicht dieser Positivliste entspricht, abzulehnen. Alles andere lässt sich einfach logistisch nicht leisten. Das hat auch im Großen und Ganzen gut geklappt und nur vereinzelt sorgte das für Ärger.
Allerdings zeigte sich sehr schnell, dass Winterkleidung in so großen Mengen gespendet wurde und ich die Notbremse ziehen musste. Die Kapazitäten reichten einfach nicht aus. Leider hatte nicht
jeder dafür Verständnis. Unsere Feuerwehr hat auf jeden Fall sehr strukturiert und professionell gearbeitet und wieder einmal darf ich mich bedanken. Dienstagabend angerufen, Mittwoch und
Donnerstag gehandelt und Freitag hat sich der Hilfskonvoi bereits auf den Weg gemacht.
Zwischendurch dann die Begegnungen, die mir zeigen, dass die Hilfsbereitschaft einfach grenzenlos ist. Wenn mal eben jemand 500 Euro spendet und mir das Geld auf den Tisch legt, dann macht das
einfach sprachlos.
Mittwochnachmittag hatten wir in Blomberg kurz die organisatorischen Rahmenbedingungen der Hilfsaktion besprochen und nachdem sich der Konvoi mit zehn Fahrzeugen am Freitagmorgen auf den Weg
gemacht hatte, habe ich natürlich die Zwischenmeldungen mit großem Interesse verfolgt. Selbstverständlich habe ich es mir nicht nehmen lassen, am Sonntagnachmittag die Rückkehrer in Blomberg
wieder in Empfang zu nehmen. Das sind diese Gänsehaut-Momente und ich bin froh, dass alle zwar sehr erschöpft, aber unversehrt und mit einem Lächeln im Gesicht zurückgekehrt sind. Ein ganz dickes
Lob an die Feuerwehren unserer Städte, an den Kreis Lippe und an die Unternehmen, die ohne Überlegung mitgemacht haben.